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Ausschreibungen – kosten sie mehr als sie nutzen?

Ob nun Compliance-Vorgabe oder auslaufender Vertrag – oder Unzufriedenheit mit der Leistungserbringung, der Wunsch nach irgendwie „besseren“ Preisen oder einem irgendwie „besseren“ Dienstleister: Es gibt in Unternehmen viele Anlässe für Ausschreibungen. Und wenn die Ausschreibung dann „draußen“ ist, beschäftigen sich die verschiedenen Dienstleister intensiv damit, ihr Know-how und Kompetenz einzubringen.

Mit Blick auf den Wettbewerb kalkulieren die Dienstleister mit spitzem Bleistift. Während der Vergabe und den Preisverhandlungen werden in der Kalkulation des Dienstleisters letzte Puffer rausgekitzelt und – getrieben von dem Wunsch nach einem Zuschlag – Abstriche bei der Marge eingegangen. Am Ende werden dann dieselben (oder sogar mehr) Leistungen zu einem geringen Preis vereinbart.

 

Beobachtungen aus der Praxis

So weit, so schlecht. Aber nun zählen Sie mal, wie häufig Ihnen das Folgende in Ausschreibungen schon begegnet ist:

Daten zu Massen und Mengen sind nicht aktuell, nicht konsistent, nicht vollständig, Copy-Paste von der letzten Ausschreibung und vor allem nicht aus Betriebssicht aufbereitet. Entsprechend fehlt DIE Grundlage einer realistischen Leistungskalkulation oder ist zumindest lückenhaft.

Bei Bedarfen & Anforderungen liegt die Crux in realistischen und vor allem messbaren Qualitätszielen. Die gängigsten: Kosten, Verfügbarkeit, Rechtskonformität, Nutzerzufriedenheit sowie Leitplanken, um Zielkonflikte lösen zu können – Fehlanzeige. Der Umfang und Turnus von Services wird wie in der Vergangenheit vorausgesetzt oder ist gar dem Einfluss der Nutzerbereiche des Unternehmens unterworfen. Nach strategischen Zielen wie z.B. der vorgesehenen Werteentwicklung bzw. Lebensdauer von technischen Anlagen, erfolgt die Festlegung von Serviceumfängen jedenfalls nicht.

Dabei ist die Schwankungsbereite seriöser Kalkulationen gering. Facility Services sind personalintensiv und damit entstehen nur geringe Synergie-Effekte. Der Aufwand eines Facility Services ist immer das Produkt aus Anzahl x Zeitansatz x Verrechnungssatz, also den zu reinigenden QM x Leistungszahl x Stundensatz oder bei der Wartung einer Anlagenzahl x Arbeitszeit/Anlage.
Also müsste man doch nun Bottom-up kalkulieren, was alles zu tun ist, wie lange die einzelnen Aktivitäten brauchen, wer diese ausführt (Stundensatz + erforderliche Aufschläge) = Preis. Die Realität sieht eher Top-Down aus. Dienstleister überlegen, „mit welchem Preis haben wir die Chance auf einen Zuschlag?“ Und wieviel Aufwand resultiert aus diesem Preis nach Abzug meiner erforderlichen Zuschläge? Daraus ergibt sich der Zeitansatz für einzelne Tätigkeiten: Preis minus erforderliche Aufschläge geteilt durch die entsprechenden Zeitansätze. Vom Vertragsvolumen zieht ein Auftragnehmer als erstes die für ihn erforderliche Summe ab (bzw. er muss es sogar), mit dem Rest wird bewirtschaftet.
Die Kalkulation steht, Betriebs-Know-how und -Erfahrungen fließen im Zweifelsfall nicht bis kaum ein. Stattdessen werden Standard-Werte angesetzt.

In der Vergabe erfolgt dann eine weitere Reduzierung des Angebotspreises bei vollständiger Beibehaltung von Leistungsspektrum und -umfang. Böse Zungen behaupten gar, der Druck auf diese Preisverhandlungen variiere je nach Stellenwert der Einkaufsabteilung im Unternehmen.

Wie oft haben Sie bisher genickt? Dann reden wir jetzt einmal über die Implementierungsphase:

Der Dienstleisterwechsel geht mit einem hohen Know-how Verlust einher. Wenn nicht Unzufriedenheit mit dem Dienstleister Motiv der Ausschreibung war, wird dieser Know-how-Verlust zwar durch die Übernahme von einigen Mitarbeitern des alten Dienstleisters abgefedert. Aber nicht selten finden die gewonnen Daten keinen Eingang in die Übernahme durch den neuen Dienstleister. Man fängt vielfach wieder von vorne an.
Wenn der Implementierungszeitraum dann auch noch zu kurz ist, können Konzepte und Leistungen aus dem Vertrag nicht vollständig bis zum Start des Regelbetriebs umgesetzt werden. Mit dem Start des Regelbetriebs steht die Leistungserbringung im Vordergrund. Ausstehende Konzeptarbeit gerät damit aus dem Blick und wird letztlich gar nicht mehr umgesetzt.
Häufig ist der Start des Regelbetriebs ein sehr turbulenter Zeitraum bei dem die Schmerzgrenze des Auftraggebers ausgelotet wird.
Nachsteuern durch den Dienstleister bringt dann relativ gesehen eine Verbesserung. Es entsteht der Eindruck auf beiden Seiten, dass das Ruder mit Kraftanstrengung noch herumgerissen wurde, aber ob die Leistungen nun den 100% der Vereinbarung entsprechen bzw. wie stark sie davon abweichen, das gerät aus dem Fokus. Hauptsache es läuft irgendwie.
Die Vergütung erfolgt aber davon unabhängig zu 100%. Die vermeintlichen Savings werden durch Minderleistungen kompensiert. Oder sogar überkompensiert?
Die Auswirkungen von geringeren Servicemengen z.B. auf die vorgesehene Werteentwicklung von technischen Anlagen bleibt intransparent – macht ja nichts, ist ja eh nicht in die Bedarfs- & Anforderungsformulierung eingeflossen.

Die nicht aktuell und/oder unvollständigen Daten bieten Ansatzpunkte für Nachträge, Sonderleistungen, Nicht-Leistung und damit für weitere „Einsparungs-Kompensations-Optionen aus Sicht des Dienstleisters.

Das alles bedeutet auf der Auftraggeberseite direkte Ausgaben für die Datenerhebung bzw. -validierung sowie für Berater für Ausschreibung und Vergabe. Auftraggeberseitig ist Zeitaufwand nötig für die Vorbereitung und Durchführung der ganzen Phasen der Ausschreibung und Implementierung, der Beschwichtigung von Nutzer auf Grund von als schlechter wahrgenommenen Services und der Erläuterung vor Vorgesetzten und Finanzern auf Grund der Nachträge, die das Budget unter Druck setzen. Ein gestörter Betriebsablauf in den ersten Monaten schafft zusätzlichen Druck.
Auf der Dienstleisterseite bekommt nur ein Unternehmen den Zuschlag und damit seinen Aufwand vergütet. Die Unternehmen, die leer ausgehen, zahlen drauf. Dieser Aufwand muss über andere gewonnene Projekte finanziert werden. Bei Ihrem Dienstleister ist das dann der Aufwand derjenigen Bewerbungen, die er vor Ihnen bei anderen nicht erhalten hat.

Vom Dienstleister wird stillschweigend der Umgang mit knappen Ressourcen erwartet, davon ist das Budget immer nur eine. Die prioritäre Verteilung der davon abhängigen Ressourcen wie Personal, Material und Zeit , sowie der damit verbundenen Risiken liegt damit beim Dienstleister. Dabei ist das Treffen von Entscheidungen, wie knappe Ressourcen zur Zielerreichung eingesetzt werden sollen, ist ureigenste Führungsaufgabe. Denken Sie jetzt auch gerade an die Bedarfs- & Anforderungsformulierung, die bspw. an Zielen für die Werteentwicklung von Anlagen, Objekten oder was auch immer deutlich wird? Da schließt sich der Kreis langsam.

Fazit: Ausschreibungen kosten in aller Regel mehr, als sie an Aufwand reduzieren. Damit stellen Ausschreibungen in den meisten Fällen betriebswirtschaftliche Verluste für den Ausschreibenden dar. Da aber trotzdem vergeben wird (oder werden muss) lohnt es sich, über die Alternative nachzudenken: Direkt vergeben oder bestehende Verträge ertüchtigen. Natürlich unter Einhaltung der Corporate Compliance Regeln.

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